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Musik

Büne frei

Am 12. Oktober 2021 ist der grosse Saal im Casino Bern, wo normalerweise das Berner Symphonieorchester seine Heimspiele austrägt, in warmes, rotes Licht getaucht. Auf der Bühne liegen Teppiche, und zwischen glänzenden Mikrofonständern stehen zahlreiche Musikinstrumente geparkt.

Eine halbe Stunde, bevor das Konzert beginnt, erklärt der Moderator dem überpünktlich erschienenen Publikum, dass es strikt verboten sei, mit dem Handy Film- oder Tonaufnahmen zu machen. Handy abschalten, Handy einstecken.

Diese Massnahme würde ich für die Zukunft jedem einzelnen Konzertveranstalter der Welt ans Herz legen. Die Menschen im Saal konzentrieren sich während der folgenden Stunden nicht auf ihre Bildschirme, sondern auf die Bühne.

Die Platzhirsche von Patent Ochsner spielen heute das erste von zwei «MTV Unplugged»-Sets. Das ist etwas ganz Besonderes. Noch nie war eine Schweizer Band zu dieser prestigeträchtigen Konzertreihe eingeladen. Die paar hundert Karten, die für die Aufnahmesessions aufgelegt wurden, waren innerhalb von dreissig Sekunden verkauft.

Gemessen daran, dass Patent Ochsner bereits seit gut dreissig Jahren Musik machen, ist das Publikum jung, zwischen Mitte zwanzig und Mitte vierzig. Es ist der Band gelungen, auf ihrem Kurs durch ein bewegtes Rock ’n’ Roll-Leben immer wieder neue Passagiere mitzunehmen. Nur ein paar Silberrücken, die mit der Band erwachsen geworden sind, mischen sich ins Auditorium.

Das Publikum an jenem denkwürdigen Abend im Casino Bern war erstaunlich jung, wenn man bedenkt, wie lange die Ochsners schon Musik machen.

Die Atmosphäre im Saal ist von spannungsgeladener Intensität. Selbst Büne Huber, Sänger und Frontmann von Patent Ochsner, sagte mir später, dass er selten in eine so erwartungsschwangere Atmosphäre eingetaucht sei: «Ich musste überhaupt nicht den Entertainer machen. Die Leute waren von allein voll bei uns.» Ich schwöre: Das hat auch mit den Handys zu tun.

Langsam, eine nach dem anderen, kommt die XXL-Band auf die Bühne, vierzehn Musikerinnen und Musiker. Eine Windmaschine schnauft, das Euphonium brummt, ein Rhythmus legt los, und als Büne Huber, gekleidet in rosa Hemd, violette Weste, dunkle Hose und Strohhut von der Risa-Hutfabrik Hägglingen, als Letzter die Bühne betritt, materialisieren sich Vorfreude und Erwartungen in einem Applaus, als hätten Patent Ochsner ihr Konzert schon gespielt und all das Ausserordentliche, was die Überschrift «MTV Unplugged» verspricht, bereits abgeliefert.

Im Grunde ist «MTV Unplugged» eine Hinterlassenschaft aus der Zeit, als musikinteressierte Menschen noch gebückt über senkrecht in Boxen geschichteten Langspielplatten standen, verwirrend gestaltete Covers studierten und sich von kettenrauchenden Plattenverkäufern erklären liessen, zu welcher Musik sie demnächst tanzen, vögeln und weinen würden. Der englische Schriftsteller und Plattensammler Nick Hornby hat dieser Kultur mit seinem Roman «High Fidelity» ein grossartiges Denkmal gesetzt.

MTV – «Music Television» – selbst startete 1981 in den USA als Spartenkanal im Kabelfernsehen. Auf dem Sender liefen ausschliesslich Musikvideos. Das war eine Sensation, weil Popmusik im Fernsehen bis dahin ein eher abfällig betrachtetes Junge-Leute-Programm war. Es veränderte die Popmusik, indem jeder vielversprechende Song von diesem Moment an einer optischen Oberfläche bedurfte, um auf MTV gespielt werden zu können.

Waren das am Anfang noch schnell geschnittene Aufnahmen von Bands in Fotostudios, entwickelte sich rasch eine eigene Kunstgattung, die bald höchst aufwändig gemachte Meisterwerke wie John Landis’ Verfilmung von Michael Jacksons Superhit «Thriller» hervorbrachte.

Die «Unplugged»-Konzerte waren die geniale Antithese zur slicken Ästhetik dieser Videowelt. «Unplugged», ausgesteckt, bedeutete, dass echte Musiker auf echten Musikinstrumenten ihre Songs spielten. Die Leistung des Formats bestand darin, abgefahrene Popstars auf akustische Instrumente zu beschränken, was denen grundsätzlich fremd war.

Pionier Herbert Grönemeyer

Die erste Staffel von «MTV Unplugged» startete im November 1989 mit einem Konzert der englischen New-Wave-Band Squeeze, später folgten so unterschiedliche Künstler wie die Metal-Band Poison, der Bluesrocker Stevie Ray Vaughan, Cantautore Elton John und die irische Sängerin Sinéad O’Connor, die mit dem Video, in dem sie weinend den Prince-Song «Nothing Compares 2 U» vortrug, gerade weltberühmt geworden war.

Das erfolgreichste «Unplugged»-Konzert steuerte 1992 der Gitarrist Eric Clapton bei, dessen Virtuosität in dem intimen, kammermusikalischen Rahmen auf berückende Weise zur Geltung kam. Das später auf Platte veröffentlichte Konzert verkaufte sechsundzwanzig Millionen Stück. Und der «Unplugged»-Auftritt von Nirvana 1993, ausgestrahlt unmittelbar nach dem Suizid Kurt Cobains, wurde zum Vermächtnis der Band.

Der erste deutschsprachige Künstler, der zu der Reihe eingeladen wurde, war 1994 Herbert Grönemeyer. Im Lauf der Jahre spielten viele grosse deutsche Bands unplugged, von den Ärzten bis zu den Toten Hosen, von Sido bis Cro, Udo Lindenberg und die Fantastischen Vier sogar je zweimal.

Es braucht nur ein paar Takte, bis klar ist, dass das Konzert im Casino etwas ganz Besonderes wird. Die Tonqualität ist brillant, der mächtige, fast orchestrale Korpus von Band und Gastmusikern schwebt über den Perserteppichen, festlich und heiter.

Büne Huber hatte mir bei einem Abendessen in Bern erzählt, dass ihn die Einladung, dieses Konzert vorzubereiten, aus dem coronabedingten Stillstand geholt habe. Die Anfrage trudelte im Sommer 2020 herein, und gemeinsam mit Christian Siegenthaler, der für Patent Ochsner das «Ministerium fürs Äusserste» besetzt und sich um die geschäftlichen Agenden kümmert, sortierte er Songs, die für das Konzert in Frage käme.

Huber wählte nicht weniger als vierundfünfzig Ochsner-Lieder aus, und als er mit dem Kern der Band – Andi Hug, Disu Gmünder und Daniel Woodtli – im Januar ins Probelokal nach Wabern einrückte, begann eine Arbeit «wie ganz früher». Die Songs wurden angeschaut, als wären sie neu. Die vier Männer dachten, die Finger an den Instrumenten, gemeinsam darüber nach, welches neue musikalische Kleid dem jeweiligen Song stehen könnte.

Natürlich bedurfte das eines «Zurückschauens in die Zeit», wie es Büne formuliert, nicht ohne sofort anzumerken, dass ihm am Blick zurück eigentlich gar nicht besonders gelegen ist.

Huber wird am 27. Februar sechzig. Er kommt also «ins Alter, in dem man Preise fürs Lebenswerk bekommt», und vielleicht hat das insgesamt dazu beigetragen, dass die «Grundfärbung» der gemeinsamen Probearbeit die von «Versöhnung» war, was nicht in einem persönlichen, sondern eher in einem kosmischen Zusammenhang zu lesen ist, man ahnt ja, auf was für Ideen man mit sechzig kommt.

In Wabern fanden Büne Huber und seine Copains jedenfalls heraus, dass sich die alten Songs deutlich leichter neu erfinden liessen als die jüngeren. Im Booklet zur «Tonbildshow», wie das audiovisuelle Gesamtpaket mit den Ton- und Videoaufnahmen der «Unplugged»-Konzerte heisst (Erscheinungsdatum: 11. Februar), fasst Büne den Produktionsprozess mit poetischer Unverschämtheit zusammen: 

«Wir rissen ihnen die Kleider vom Leib / um uns ihre alte Haut zu beschauen / ihre Falten, ihre Narben / ihre bleichen Knochen / und nähten ihnen neue Kleider».

Die Umkleidearbeiten dauerten viele Wochen. Pro Tag entstand selten mehr als die Neufassung eines Songs, wobei die Methode für die Band neu war. Es gab kein klares Ergebnis, auf das die Musiker zielten. Das Ziel wurde mäandernd eingekreist und erst festgelegt, wenn es erreicht war.

In einer zweiten Probenschleife versammelte sich im Sommer dann die gesamte Band im früheren Calvinhaus im Kirchenfeldquartier und studierte die neuerarbeiteten Versionen ein.

Als ersten Song im Casino spielen Patent Ochsner jetzt «Nöii Schueh», unmittelbar gefolgt von «Honigmelonemond». Beide Songs stammen von Büne Hubers einzigem Soloalbum, das eigentlich nur deshalb ein Soloalbum wurde, weil sich die Band, damit sie sich neu zusammensetzen konnte, erst einmal hatte auflösen müssen.

Die erste Besetzung von Patent Ochsner aus den Neunzigerjahren hatte sich nach und nach verlaufen. Es gab keinen grossen Krach, alle hatten ihre eigenen Gründe aufzuhören. Böbu Ehrenzeller wollte seinen Job als Schreiner nicht aufgeben, Resli Burri lag es am Herzen, Theatermusik zu schreiben. Das ursprüngliche Spassprojekt Patent Ochsner war zu einem Hauptberuf herangewachsen, der zwar für Lebensunterhalt sorgte, aber daneben kaum noch etwas anderes zuliess.

«Honigmelonemond» erschien 2000, Büne widmete das Album seiner Tochter Hannah. Schlagzeuger Andreas Hug und Gitarrist Disu Gmünder, die auch heute auf der Bühne stehen, stiessen damals zur zwischenzeitlich zusammengestellten Büne-Huber-Band, die auf dem nächsten Album «Trybguet» zurück in Patent Ochsner transformiert wurde. 2006 verliess mit Pascal «Pazz» Steiner das letzte Gründungsmitglied neben Huber die Band. Die Häutung von Patent Ochsner war abgeschlossen.

Überwältigter Musikkritiker

Ich hörte zum ersten Mal im Herbst 1991 von Patent Ochsner, als das Berner Label Zytglogge zu einer Veranstaltung mit dem sizilianischen Liedermacher Pippo Pollina einlud, originellerweise ins Zürcher Rotlichtviertel.

Ich schrieb damals für die «Weltwoche» über Musik und erinnere mich an den Abend vor allem deshalb, weil mir jemand eine Promosingle zusteckte. Das ist so lange her, dass man wahrscheinlich erklären sollte, dass es zu dieser Zeit zwei Schallplattenformate gab, Langspielplatten und Singles, die von Plattenspielern auf unterschiedlicher Geschwindigkeit abgespielt wurden – freundliche Grüsse von Nick Hornby soll ich übrigens ausrichten.

Besagte Promosingle war bis auf das kleine Zentrierloch in der Mitte schwarzweiss durchgefärbt. Das Bild zeigte die Oberseite eines Schweizer Abfalleimers, der, was ich natürlich nicht wusste, ein Patent der Firma J. Ochsner AG war, 1902 in Zürich gegründet und für die Herstellung normierter Abfalleimer sowie dazugehöriger LKW-Aufbauten in der Schweiz wohlbekannt.

Patent Ochsner ist ein fast überlebensgrosses Pop-Phänomen der Schweiz. Dabei waren die Ochsners nie eine Rockband. 

Auf der Single befanden sich zwei Songs, «No geit s» und «Salz & Schtahl», die mich mit blechernem, unbefangenem Karnevalskapellensound amüsierten. Der dritte aber berührte, nein, überwältigte mich. Der Song hiess «Bälpmoos». Das pulsierende Fernweh, das er bei mir ablud, fuhr mir ein wie ein zu starker Schnaps.

Ich weiss noch, dass ich zehn Minuten später mit meinem Redaktor telefonierte und ihm sagte, er möge bitte die erste Seite des Kulturteils für mich reservieren, es gäbe da etwas ganz Aussergewöhnliches, da sollten wir wirklich die Ersten sein.

Wir waren natürlich eh nicht die Ersten, denn der Moderator Dänu Boemle spielte «Bälpmoos», kaum hatte er die Single in den Fingern, mehrmals pro Stunde auf DRS3, und Bänz Friedli gab mit seiner Hymne in der «Berner Woche» den Ton vor, dann hörte auch schon Stephan Eicher, der im Nebenberuf schon immer Trüffelschwein gewesen ist, die Band, coverte «Bälpmoos» und lud Patent Ochsner als Vorband zu seinen Konzerten ein, und von da bis zur hunderttausendsten «Schlachtplatte», die irgendwer aus dem Plattengeschäft – noch so eine antike Einrichtung – holte und bar bezahlte, dauerte es nicht mehr lang.

Alles, was Patent Ochsner zu einem der ganz grossen, fast überlebensgrossen Pop-Phänomene der Schweiz macht, war auf «Schlachtplatte» angelegt.

Es begann damit, dass Patent Ochsner nie eine Rockband war. Die Songs standen auf einem anderen musikalischen Fundament. Sie vereinten die kleptomanische Klassik eines Kurt Weill mit der für eine Popband ungewöhnlichen Instrumentierung mit Akkordeon, Posaunen und einem Campingplatztrommler. Dass die Bläser nichts dabei fanden, einen Ton auch mal nicht zu treffen, stellte eine intrinsische Verwandtschaft zum besoffenen Sound von Guggenmusigen her, samt Polka, Musette, Soullicks und holpriger Texmex-Tanzmusik.

Aber da war natürlich noch mehr, nämlich die Fähigkeit, mit ein paar Klängen und Worten Gefühle herzustellen, denen sich kein Mensch entziehen konnte, und dafür musste man nicht einmal einen Sprachkurs in Bärndeutsch belegt haben. Wobei, es half – jedenfalls jemandem wie mir, der nicht aus Bern-Bümpliz stammt, sondern aus Wien-Hietzing.

Eine Fähigkeit, die Büne Huber mit Weltstars wie Chris Martin verbindet: Er kann unvergessliche Hymnen schreiben.

Schon damals, ganz am Anfang, offenbarte sich etwas, was bis heute Gültigkeit hat: Eine coole Band waren Patent Ochsner nie, selbst wenn sie es manchmal versuchten. Cool waren Züri West mit ihren lauten Gitarren, cool war die Art-Blues-Kombo Stiller Has mit ihrem urgewaltigen Sänger Endo Anaconda, der nun gestorben ist.

Patent Ochsner aber sind bis heute nicht cool geworden. Sie machen vielfältige, anspruchsvolle Erwachsenenmusik, klauben Ideen aus allen möglichen Musikkulturen und haben sich als Spezialisten einer bärndeutschen Liedkultur etabliert, die mehr mit Schubert zu tun hat als mit Mani Matter.

Dazu kommt eine einzigartige Fähigkeit, die Büne Huber mit Weltstars wie Richard Ashcroft oder Chris Martin verbindet: Er kann unvergessliche Hymnen schreiben. Im Katalog von Patent Ochsner sammeln sich die Songs, die in jeder Halle, auf jedem Freiluftkonzert begeistert mitgesungen werden, Lieder, die auf dem Sprung stehen, zeitgenössische Volkslieder zu werden, Refrains, die etwas bedeuten, auch wenn man nicht genau weiss, was.

So bringen selbst tausendköpfige Auditorien mühelos die Zeilen «Bockstössigi Himbeerbuebe / Schüüch u brav wie Schaf» über die Lippen, bevor sie etwas später im abhebenden Choral ihre Erlösung finden: «D w. Nuss vo Bümpliz / Isch schön win es Füür i dr Nacht / Win e Rose im Schnee».

Es fällt manchmal schwer zu glauben, dass Büne Huber, der die Ochsner-Songs in der Regel textet und komponiert, nicht schon die vollen Stadien mitsingen hört, wenn ihm die nächste Melodie einfällt, die nicht mehr lang ihm allein gehören wird.

Die jüngste Ochsner-Hymne ist «Für immer uf di». Die Konturen des Lieds hatte Büne bereits 1994 skizziert. Es brauchte aber noch fünfundzwanzig Jahre und einen emotionalen Ausnahmezustand, bis es seine gültige Form fand.

An jenem Tag im März 2018, als seine Mutter Elisabeth 87-jährig starb, lud Büne Freunde zu sich nach Hause ein, um der Trauer ein Fest entgegenzusetzen. Er war, wie er erzählt, am nächsten Morgen ziemlich verkatert, als er sich ans Klavier setzte. Zwischen Kopfweh und Schwindel entstand ein ganz besonderes Lied, das gleichwohl typisch für seine Arbeit ist.

Büne sagt: «Das Lied fiel mir vor die Füsse. Ich musste es nur aufheben.» Aus dem Epizentrum der eigenen Erschütterung klaubte Büne Verse auf, die den Bogen ins Allgemeine schlugen, dabei entwaffnend ehrlich waren und lyrisch wohlgesetzt, gefühlsschwer und sofort unvergesslich.

«Uf Mueters Seu wo hüt / Furt isch voder Ärde / Uf au die schöne Ching / Wo hüt znacht gebore wärde / Uf au die Zyt wo isch vergange / Uf au die Zyt wo mir no blibt»

Natürlich gehört der Refrain, sobald man ihn einmal gehört hat, nicht mehr dem Sänger, sondern dem Publikum. Pop funktioniert so. Wenige Worte genügen, um jede Zuhörerin, jeden Zuhörer davon zu überzeugen, dass mit diesem Song niemand anderer als sie oder er selbst gemeint sein kann. Das gemeinsame Singen bedeutet das Teilen der emotionalen Identität:

«Es Glas uf d Liebi und eis uf z voue Läbe u / Eis uf au das wo mir nid chöi häbe / Es Tor geit uuf unes angers geit zue / Blibsch i mim Härz sogar no denn wes afaht weh tue.»

Viele der Ochsner-Hymnen haben dieses sentimentale Scharnier, mit dem sie am echten Leben von Büne Huber befestigt sind. «Scharlachrot» ist ein Song, den er für seine erste Frau Renate geschrieben hatte und nach der Trennung jahrelang nicht mehr singen konnte, weil die Worte zu schmerzhaft mit dem Bild der grossen, gescheiterten Liebe verbunden waren.

Die Trennung von seiner Frau warf Büne Huber endgültig aus der Bahn. Er wurde zum «Nachtschatten­gewächs», suchte an den falschen Orten Trost.

Fast alle Songs des Albums «Gmües» (1994) entstanden, nachdem Bünes Vater gestorben war, in Bünes Armen, und Büne «wie im Fieber» Song um Song schrieb, «tief betroffen und besoffen». Die erste Ladung von Songs, die so entstand, verbrannte er noch rituell im Feuer, die zweite Ladung ist die Grundlage des Albums, wie wir es kennen, eines der besten Alben der Band.

Die Depression, in die Büne Huber später stürzte, war vielleicht schon angelegt, als er auf den ausgedehnten, ausverkauften «Gmües»-Tourneen immer wieder die Songs spielen musste, die für ihn einen monumentalen Verlust bedeuteten.

Die Trennung von Renate nach dreiundzwanzig Jahren warf Büne endgültig aus der Bahn. Er wurde zum «Nachtschattengewächs», hatte keine Freude mehr an der Musik, suchte an den falschen Orten Trost und kam erst wieder auf die Beine, als ihm Christian Siegenthaler eine neue Wohnung fand, ein Loft, in das – was für eine Metapher – von allen Seiten Licht strömte. Der Ort löste in Büne etwas aus, was er als «Heimkommen» beschreibt. Bei Tageslicht begann er wieder Musik zu machen und sich langsam, Schritt für Schritt, ins Leben zurückzuarbeiten.

«Christian», sagt er, «war der Schlüssel dazu.»

Adieu, blecherne Katzenmusik

Im Casino Bern stehen jetzt die Hits auf dem Programm, und eigentlich bleibt das so bis zum Schluss. Als die Band hintereinander «Ludmilla» spielt, «Fischer» und «Bälpmoos», fällt mir zum einen die Textsicherheit der Menschen auf, die links und rechts von mir sitzen und praktisch jede Zeile lauter oder leiser mitsingen.

Vor allem aber fasziniert mich die Leichtigkeit der Arrangements, die kammermusikalische Genauigkeit, mit der die überragenden Solisten in Szene gesetzt werden, Woody Woodtli an der Trompete, Estefania Campaña an der Posaune, Alex Hendriksen an den Saxophonen, ohne dass die Soli, wie man das von vielen Livekonzerten kennt, zu viel Gewicht bekommen und aus dem Ruder laufen. Sie funktionieren wie funkelnde Puzzlesteine, die in die Songs eingesetzt werden, diese schmücken, aber nicht überstrahlen.

Die blecherne Katzenmusik von früher, die den Charakter von Patent Ochsner selbstironisch geprägt hat, ist höchstens noch als amüsiertes Echo zu vernehmen. «Schon als wir damals auf den ersten grösseren Bühnen standen», sagt Büne Huber, «haben wir gemerkt, dass das nicht funktioniert.»

Inzwischen hat die Band nicht nur ihren Sound weiterentwickelt, sondern auch Erfahrungen mit grossen Kooperationsprojekten gesammelt. Am 30. August 2010 fand ein Open-Air-Konzert mit dem Berner Symphonieorchester auf dem Bundesplatz vor 10’000 Zuschauern statt, ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Kanonisierung von Patent Ochsner weit, wenn nicht zu weit fortgeschritten ist.

Das Projekt machte zwei einander widerstrebende Klangkörper miteinander bekannt. Das ergab ein paar beglückende Momente. Zum Beispiel trafen sich die Mütter von Büne Huber und Christian Siegenthaler beim Empfang vor dem Konzert, und Siegenthaler meint, dass erst die Tatsache, dass die Buben mit dem Berner! Symphonie! Orchester! gemeinsame Sache machten, bei den Müttern eine gewisse Sicherheit reifen liess, dass die Buben doch «etwas Rechtes» tun.

Wien grüsst Bälpmoos

Ich lernte Büne Huber und Christian Siegenthaler kennen, nachdem 1994 «Gmües», das dritte Patent-Ochsner-Album, erschienen war. Es war ein gutes Jahr für die Schweizer Popmusik. Zur selben Zeit hatten Züri West ihren ganz grossen Hit «I schänke dr mis Härz» herausgebracht, einen Song übrigens, an dem ich stark gezweifelt hatte, als ich ihn zum ersten Mal im Radio hörte – soviel zu meinen Qualitäten als Trüffelschwein.

«Gmües» enthielt schwebende Balladen, komplexe Arrangements, die einen erwachsenen Wohlklang begründeten, und es stellte sich heraus, dass die Lieder mit magischer Präzision die Befindlichkeit ihres Autors mit den Bedürfnissen des Publikums in Übereinstimmung brachten. Die Plattenfirma von Patent Ochsner wollte diesen Erfolg skalieren und «Gmües» auch dem deutschen Publikum nahebringen.

Viele berndeutsche Wendungen lassen sich viel einfacher ins Wienerische übertragen als ins klobigere, kantigere Hochdeutsch.

An dieser Stelle kam ich ins Spiel. Als österreichischer Kritiker von Schweizer Mundart- und Volksmusik – mein Buch «Verkaufte Volksmusik. Die heikle Gratwanderung der Schweizer Folklore» war gerade erschienen – galt ich sozusagen als zweisprachig und bekam den Auftrag, die berndeutschen Songtexte in eine hochdeutsche Variante zu übertragen. Deutsche Patent-Ochsner-Hörer und Hörerinnen sollten im CD-Booklet mitlesen können, was die exotischen Schweizer da gerade sangen.

Ich erfuhr einiges über den rhythmischen Zusammenhang von Bärndütsch und Wiener Dialekt – viele Wendungen lassen sich viel einfacher ins Wienerische übertragen als ins klobigere, kantigere Hochdeutsch – und genoss das Privileg, mit Büne und Christian zusammenzuarbeiten und Einblick in die Inspirationswelten der Ochsner-Songs zu bekommen. «Gmües» erschien dann tatsächlich in Deutschland, aber der grosse Durchbruch im Norden der Alpen blieb den Ochsners erspart.

Sie eroberten sich auf engagierten Tourneen zwar einen Status als bemerkenswerte Exoten. Aber die Sprachbarriere verhinderte, was in der Schweiz den Kern des Ochsner-Erfolgs ausmachte: das bedingungslose Verstehen dessen, was der Typ da vorne singt.

Es war spannend zu sehen, wie die Band gegen die verständnislosen Augen in halbvollen Hallen anspielte. Es brauchte viel Energie, um die überschaubaren Crowds zu gewinnen, aber es gelang immer, und es brauchte einen anderen Weg als in der Schweiz, wo bereits das Keyboard für Euphorie sorgte, wenn es hintereinander die Akkorde E-Moll, D-Dur und C-Dur schweben liess, die harmonische Grundstruktur von «Bälpmoos», dem grossen Fernwehlied, das sich am Ende ja doch als Heimatlied entpuppt.

Auftritt Sophie Hunger

Für die «Unplugged»-Version von «Bälpmoos» verlässt Büne Huber seinen angestammten Platz auf dem Barhocker in der Mitte und setzt sich an den Flügel am rechten Rand der Bühne. Interessant, wie ein Lied seinen Charakter verändert, wenn es nicht pulsierend und verstockt in die Welt gestemmt wird, sondern Luft bekommt, Leichtigkeit und Schwung.

Bü(h)ne von oben: Der Chef mit Hut am Piano, drumherum die Band samt Gastmusikerinnen und -musikern. 

Foto: Rob Lewis

Die Band spielt «Bälpmoos» deutlich schneller als früher, gut gesetzte Chöre malen die Melodiebögen blau aus, nehmen dem Song seine krasse Unmittelbarkeit. Weisse Vögel fliegen durchs animierte Bühnenbild, das Büne Huber, der kongeniale Maler, gemeinsam mit Dan Jakob gestaltet hat.

Ich schaue nach links und rechts, wo es niemanden auf den Sitzen hält. Ja. Wir verstehen schon.

«Bälpmoos, Bälpmoos / Schpick mi furt vo hie»: Die Beschwörung des Aufbruchs hat nicht mehr das einstige Pathos, denn man war ja in der Zwischenzeit schon fort, und man ist selbstverständlich wieder zurückgekehrt, hierher, ins spirituelle Zentrum des eigenen Erlebens und Verstehens. Das neue Arrangement hat die sentimentale Kraft des Songs in ein spielerisches Augenzwinkern verwandelt, wir verstehen schon.

Ich schaue nach links und rechts, wo es niemanden auf den Sitzen hält. Ja. Wir verstehen schon.

Mindestens drei Gäste, so will es die Hausordnung von «MTV Unplugged», treten an diesem Abend mit Patent Ochsner auf. Der Cantautore Mimmo Locasciulli, ein erprobter Freund der Band, den Christian Siegenthaler schon vor Urzeiten mit Büne Huber bekannt gemacht hat. Der Sänger Olombelo Ricky, den die Ochsners 1995 auf ihrer Madagaskar-Tournee kennengelernt haben. Sophie Hunger, die zur Weltbürgerin gewordene Lokalmatadorin. Sven Regener wäre auch gerne dabei gewesen, leider liessen sich Termine nicht koordinieren.

Made in Bern: Büne Huber und Sophie Hunger vor dem Auftritt bei «MTV Unplugged».

Foto: Jürg Ramseier

Star des Abends ist aber die Band, der die Neukalibrierung der Ochsner-Songs mit Sparsamkeit und anmutiger Musikalität gelingt. Mir scheint, als würden sich die seidenweichen, virtuosen Bläser für alle Noten entschuldigen, bei denen ihre Vorgänger jemals daneben getrötet haben. Disu Gmünders Gitarre ist überall dort, wo die Musik Halt braucht, Christian Brantschen spielt Klavier, Harmonium und Akkordeon, als würde er dafür bezahlt, möglichst wenige Tasten zu drücken, und Andi Hugs Schlagzeug tanzt vergnügt, ohne je zu krachen.

Büne Huber kann seine sprachverliebten Geschichten unangestrengt erzählen, seine Stimme schwebt verführerisch im Saal. Perfektion, Intensität und Lässigkeit halten sich die Waage, was beweist, zu welch präzisen Ergebnissen das Mäandern in Wabern geführt hat.

Nach der Zugabe – «Auti Strass» – zerstreut sich das Publikum langsam in die umliegenden Beizen, während Büne Huber hinter der Bühne seine Tochter in die Arme schliesst, die gemeinsam mit ihrer Mutter zum Konzert gekommen ist. Dreizehn Jahre lang hat seine Exfrau Renate kein Patent-Ochsner-Konzert mehr besucht, auch hier schliesst sich also ein Kreis.

Nachbarn fürs Leben

Im oberen Stockwerk des Hauses in Bern-Lorraine, wo Christian Siegenthaler wohnt und sich eine beneidenswerte Küche eingerichtet hat, hängt ein Schwarzweissfoto an der Magnetwand, das zwei junge Kerle in kurzen Hosen und mit nacktem Oberkörper zeigt, offenbar irgendwo am Wasser.

Der eine ist damit beschäftigt, sich eine Zigarette zu drehen, das ist Siegenthaler selbst. Der andere hat in der linken Hand sowohl eine Zigarette als auch eine Flasche Bier, aus der er gerade einen tiefen Schluck nimmt, und in der rechten ein aufgeschlagenes Buch. Das ist Büne Huber beim Multitasking.

Das Foto datiert aus den frühen Achtzigerjahren in Luberon, als die beiden sich gerade kennen gelernt hatten und gemeinsam in die Ferien gefahren waren, Büne wenig älter als zwanzig, Christian vier Jahre älter.

Das Foto hängt daheim beim Manager: Christian Siegenthaler (links) und Frontmann Büne Huber beim Badeplausch in den Achtzigern.

Foto: privat

Christian Siegenthaler hatte eine Ausbildung als Sozialarbeiter gemacht und kümmerte sich gerade um die Integration von in der Schweiz gestrandeten Indochina-Flüchtlingen. Büne Huber hatte es nach einer Ausbildung zum Metallbauschlosser vorgezogen, in einem Kinderheim auszuhelfen.

Die beiden lernten sich kennen, als sie in Bern-Lorraine Nachbarn wurden. Christian wohnte im Erdgeschoss. Büne, der mit ein paar seiner Heimkinder zu einem öden Motocross-Rennen gegangen war und Aufheiterung brauchte, schaute durchs Fenster. Siegenthaler, bei dem es gerade zu essen und zu trinken gab, lud Büne ein, einen Teller mitzuessen und sich ein Glas zu nehmen.

Büne wartete nicht darauf, dass ihm jemand die Tür öffnete, sondern stieg durchs offene Fenster in Siegenthalers Wohnung. Es wurde ein langer Abend, und man kann retrospektiv durchaus sagen, dass die Schweizer Pop-Geschichte anders aussehen würde, wenn Christian Siegenthaler und Büne Huber an diesem Abend nicht Freunde fürs Leben geworden wären.

Büne hätte gern Schlagzeugunterricht genommen, musste sich aber auf Wunsch der Mutter mit einer Blockflöte bescheiden.

Aufgewachsen ist Huber im Tscharnergut in Berns Bezirk Bethlehem, er hat gute Erinnerungen an das Quartier. «Immer waren Kinder auf der Strasse, man war nie allein. Viele Sprachen. Aus den Fenstern roch es nach Essen, das anders war als das bei uns zu Hause, interessanter.»

Büne hätte gern Schlagzeugunterricht genommen, musste sich aber auf Wunsch der Mutter mit einer Blockflöte bescheiden. Es brauchte einen Schulwechsel und eine gewisse Orientierungslosigkeit, was die berufliche Zukunft betraf, bis sich Büne eine Gitarre beschaffte und die wichtigsten Griffe aneignete.

Noch als Schüler wurde er Bassist der Punkband «Konrad und die Knallfrösche», deren Musik zu gleichen Teilen aus Gitarren und Lärm bestand. Daheim begann er eigene Lieder zu skizzieren, erstaunlicherweise nicht auf Englisch, sondern auf Bärndütsch. «Es war immer klar, das mach ich in meiner eigenen Sprache.»

In der Familie hatte Musik immer eine Rolle gespielt. Der «Père» war ein riesiger Fan von James Last, einem deutschen Big-Band-Leader mit gepflegtem, langem Haar und Klodeckelbart, dessen Orchester es schaffte, auch den aufregendsten Melodien alles Widerspenstige abzuschleifen. Die Mutter liebte klassische Musik so inbrünstig, dass Büne bis heute mit einer Allergie auf Kunstgesang reagiert.

In die Risse dieser musikalischen Früherziehung sickerten Erfahrungen, die Huber mit den Songs von «Ton Steine Scherben» machte, Rio Reisers romantischem Revolutionsrudel, mit den Liedern Udo Lindenbergs oder, aus unmittelbarer Nähe, den Songs von Rumpelstilz, namentlich «Füüf Narre im Charre».

«Ich liebte die Musik an und für sich», sagt Büne. «Später ging ich an jedes Konzert, egal ob es Jazz, Rock oder irgendwas anderes war. Ich liebte die Tschinggenmusik, die durch Bümpliz zog. Meine Plattensammlung ist Kraut und Rüben.»

«Ich war ein echter Fan von Bünes Musik. Und ich versprach ihm: Wenn du irgendwann auf die Musik setzt, dann bin ich dabei.»

Christian Siegenthaler, Bandmanager

Büne Huber und Christian Siegenthaler trafen sich, als die Idee, die Musik zum Beruf zu machen, längst noch nicht ausformuliert war. Während Büne am Gedanken verzweifelte, in der Schlosserei 250’000 identische Werkstücke hintereinander herstellen zu müssen – «Das ist keine Übertreibung!» –, machte Christian eine Managementausbildung.

«Ich war ein echter Fan von Bünes Musik», sagt Siegenthaler. «Und ich versprach ihm: Wenn du irgendwann auf die Musik setzt, dann bin ich dabei.»

Mit seiner Freundin Renate ging Büne Ende der Achtziger drei Monate lang auf Reisen. In dieser Zeit entstanden die Songs von «Schlachtplatte». Als er zurückkehrte, leitete Siegenthaler bereits eine Drogenberatungsstelle im Berner Oberland. Er hörte die Songs, kündigte zum Entsetzen der Eltern seine Stelle und wurde stattdessen Manager einer neuen Band mit einem merkwürdigen Namen und nichts als ein paar Liedern.

Wir sitzen am Küchentisch, Siegenthaler hat ausgezeichnet gekocht und anbetungswürdige Weine aus dem Piemont geöffnet, wo er zwischenzeitlich eine Pension betrieben hat. Hervorragende Kontakte zu Nebbiolo-Winzern sind ein lohnendes Erbe dieser Zeit.

Wir sprechen über Familiäres. Büne hat ein zweites Mal geheiratet und mit Sue noch einmal zwei Kinder bekommen, Julie und Max. Neuanfang, das neue Leben nach dem gezogenen Schlussstrich, ist eines der wiederkehrenden Themen in den Ochsner-Songs. «Viele Kulturschaffende», sagt Büne, «kommen mit den vier grossen Themen aus: Liebe, Tod, Aufhören, Neuanfangen.»

Ob das mit dem Aufhören irgendwann auch für Patent Ochsner gilt?

«Solange es uns beide gibt», sagt Büne, greift über den Tisch und nimmt die Hand von Christian Siegenthaler, «wird es Patent Ochsner geben.»

Er macht eine Pause.

«In aller Demut sehe ich, wie wir unsere Fähigkeiten miteinander multiplizieren können und damit so viele Menschen beseelen. Und wenn in langer, langer, langer Zeit einer von uns den Löffel abgibt – dann möchte ich bitte der erste sein.»

Kaum merklich schüttelt Christian Siegenthaler den Kopf, steht auf und geht in den Keller, um noch eine Flasche Wein zu holen.

Und jetzt: Ein Konzertfilm

Nach dem zweiten «Unplugged»-Konzert, als das Material für die «Tonbildshow» unwiderruflich im Kasten ist, fegt eine Party durch den Backstagebereich. Familie, Freunde, viele der ganz grossen Figuren des Schweizer Musikgeschäfts sind da, die Brötchen so klebrig, wie sie sein müssen, ungeschriebenes Gesetz der Konzertindustrie, Bier aus der Flasche, aber für den Wein gibt es vernünftige Gläser, darauf legt Büne Wert.

Ich trinke ein Glas mit Olombelo Ricky, der mir von der Odyssee erzählt, die eine Reise von Madagaskar nach Bern in Zeiten von Covid darstellt. Ich sehe Mimmo Locasciulli, wie er sein bezauberndes Lächeln an die Frauen verschenkt, die mit ihm am Tisch sitzen. Sophie Hunger erzählt, wieviel besser ihr der «Hotelsong» am zweiten Abend gefallen hat. Christian Siegenthaler nickt, lächelt, verschränkt die Arme und behält den Überblick.

Büne, Rotwein im Glas, den Hut noch immer auf den verschwitzten Haaren, ist umringt von Menschen und verteilt Umarmungen. Er ist glücklich, zu Recht. Die Übung ist gelungen. Für heute ist sie gelungen.

«I bi huere närvös», sagt Büne, der eine flauschige, mit Lammfellersatz ausgeschlagene Jeansjacke trägt.

Gut einen Monat später treffen wir uns im Studio der Filmfirma «Get Some Popcorn» an der Langstrasse in Zürich wieder. Christian Siegenthaler hat Büne, Disu Gmünder und Andi Hug in ein Auto gepackt, damit alle gemeinsam den Rohschnitt des Konzertfilms anschauen können.

«I bi huere närvös», sagt Büne, der eine flauschige, mit Lammfellersatz ausgeschlagene Jeansjacke trägt.

Im Schnittraum versammeln sich ziemlich viele Menschen. Jemand verteilt Papierblöcke und Kugelschreiber. Unten am Bildschirm läuft ein Timecode mit.

«Notiert alles, was euch auffällt».

Wie in einer Schulklasse nicken wir. Die Fenster werden abgedunkelt. Dann läuft der Film, zwei Stunden lang.

Die Anspannung löst sich bald, gelegentliches Gelächter, das Gleiten der Kugelschreiberspitzen übers Papier. Als der Film aus ist, wohliges Seufzen. Licht flutet den Raum, zusammengekniffene Augen. Als der Cutter fragend in die Runde schaut, bekommt er seinen verdienten Applaus. Wenig später umringen Büne, Disu und Andi den Schneidetisch, rücken Timecode für Timecode vor, prüfen die Anmerkungen der anderen, kümmern sich gemeinschaftlich und uneitel um die Korrektur notwendiger Winzigkeiten.

«Eine Sache brauchen wir noch», sagt Büne, als wieder einmal eine Grossaufnahme des Pianisten Christian Brantschen zu sehen ist, dessen Blick immer ein bisschen besorgt wirkt, abgesehen davon, dass seine schütteren, langen Haare tun, was sie wollen.

«Was?», fragt der Cutter beflissen.

«Eine App, mit der wir den Chrigel frisieren können.»

Das ist das einzige Problem, das am Ende ungelöst bleibt. 

Das «MTV Unplugged»-Album von Patent Ochsner erscheint am 11. Februar bei Universal. Das Konzert wird am selben Tag um 21.30 Uhr auf SRF 2 ausgestrahlt. Die «Unplugged»-Tour von Patent Ochsner startet am 15. Februar, Termine auf patentochsner.ch

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