Schlank dem Himmel entgegen
Ich gehe durch den Pötzleinsdorfer Schlosspark bergab zur Endstation der Straßenbahnlinie 41, und wenn Ihr wissen wollt, wie es kommt, dass ich durch den abschüssigen Park bergab gehen darf, dann kann ich Euch verraten, dass ich von der Dornbacher Straße steil bergauf gegangen bin, einen schweißtreibenden Aufstieg hingelegt habe.
Das war notwendig, denn zuerst habe ich noch vor der Mannervilla Halt gemacht. Die Mannervilla, ich hatte ihre Geschichte vor einiger Zeit in dieser Kolumne erzählt, steht noch immer in ihrer ganzen, abgewohnten Jugendstilpracht im weitläufigen Garten. Aber der Zaun ist schon mit der Reklame verhängt, die den bevorstehenden Umbau anpreist. Ich aber sage euch: Dieser Umbau wird das schöne Haus ruinieren. Er presst teuren Wohnraum auf eine so grobschlächtige, geschmacklose Weise in die Kubatur des Hauses, dass wir besser vergessen sollten, wie elegant hier einmal gebaut und gewohnt wurde. Es ist mir ein Rätsel, dass irgendwo ein dafür ausgebildeter Mensch sitzt und dieses Projekt mit seiner Unterschrift für die Realisierung frei gibt.
So ungefähr und noch ein bisschen empörter denke ich, als ich die Kreuzwiesengasse bergauf gehe, das Kloster der Missionsschwestern und seinen großen, gepflegten Garten passiere und die Obere Kreuzwiese überquere, um schweißüberströmt den Eingang in den Schlosspark zu finden.
Ich finde. Im Duft des fortgeschrittenen Herbstes schreite ich bergab. Weiches Laub polstert die Wege. Die Baumkronen tragen noch ein paar Blätter, noch haben sie den Sommer nicht gänzlich abgeschüttelt. Ich liebe das Zwielicht im Wald und gehe absichtlich langsamer, um diese Oase der Herbstzeitlosigkeit nicht allzu rasch hinter mir zu lassen.
Aber schon stehe ich draußen vor dem Tor, ohne zu wissen, wohin ich eigentlich weitergehen will. Also bleibe ich stehen. Das ist eine bewährte Methode, um Entscheidungen hinauszuzögern, und während ich zögere, springt mir der abgemagerte, hohe Kirchturm ins Auge, der den Max-Schmidt-Platz überragt. Er erinnert mich entfernt an ein anderes, schlicht-elegantes Bauwerk, aber ich komme nicht drauf, bevor ich nachschauen gehe und herausfinde, dass der Kirchturm vom Architekten Karl Schwanzer Anfang der Sechzigerjahre entworfen worden war – demselben Architekten, der auch (mit Eugen Wörle) für den Neubau der Angewandten verantwortlich war (das war die Assoziation).
Sofort sehe ich den Bau mit anderen Augen. Sein schmaler Korpus ist mit Segmenten von Sichtziegeln ausgestattet, ein Kreuz aus Sichtbeton überragt den Kirchturm, der im übrigen getrennt vom Kirchenschiff aufgestellt wurde, das – auf trapezförmigem Grundriss und mit hohen Ziegelwänden – eine ganz außergewöhnliche, schlichte Feierlichkeit ausstrahlt. Als ich die Rückwand der Christkönigskirche mit ihren hohen Fenstern und der von Arnulf Klebel entworfenen Orgel betrachte, kann ich die Musik, die gerade niemand spielt, fast hören. Für einen Augenblick bin ich versöhnt mit den Missgriffen der Architektur (s.o.), wenn sie andererseits solche Räume schafft, für uns alle.