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KurierKolumnen

Seilers Gehen: Spaziergang durch das Soundgeflecht der mdw

Von Ton und Tönen: Ein Spaziergang durch die mdw eröffnet ungewohnte Klangwelten.

© Alexandra Klobouk

Oft gehe ich durch die Linke Bahngasse, weil sie mich nämlich Richtung Botanischen Garten führt, wo der „Alpengarten“ gerade in einem berauschenden Zustand ist – das nur nebenbei. Diesmal aber bleibe ich auf dem Anton-von-Webern-Platz stehen, gleich neben der Ladesäule für den immerselben Hybrid-Volvo, der hier wohnt, und betrachte das Eingangsgebäude zur Universität für Musik und darstellende Kunst, abgekürzt mdw, in Kleinbuchstaben, warum auch immer. Aus verschiedenen Stockwerken strömen verschiedene Musiken. Hier ein vorsichtiges Klavier, dort ein entschlossenes Schlagzeug. Menschen mit großen und kleinen Instrumententaschen betreten und verlassen das Haus, und habe ich nicht gerade die fabelhafte Keramikkünstlerin Onka Allmayer-Beck mit ihrer französischen Bulldoge in die Hundezone einbiegen gesehen?

Bevor die mdw hier einzog, befand sich an selber Stelle ein Tierspital, das Kaiser Joseph II. am damaligen Wiener Neustädter Kanal bauen ließ. Das Tierspital erfuhr eine Reihe von Adaptierungen, wurde zur k. u. k. Tierärztlichen Hochschule und später zur Veterinärmedizinischen Universität Wien. Ende der neunziger Jahre übernahm die Musikuniversität, und mit ihr entwickelte sich ein ganzer Campus, den ich jetzt durch die Einfahrt betrete.

Zwischen Hauptgebäude und Schlagwerkhaus (aha!) gehe ich einer offenen Fläche entgegen, die von den Gebäuden der ehemaligen Anatomie, der Mensa, dem Riegel zu Ungargasse und Sechskrügelgasse und dem neuen Future Lab begrenzt wird. Ich trete ein in eine studentische Idylle. An Gartentischen wird Kaffee getrunken, diskutiert und gelernt. Auf zahlreichen Bänken gehen Menschen jeder Generation jener Tätigkeit nach, für die mir auch nur mehr das neudeutsche Wort „chillen“ einfällt. Vielleicht aber entstehen hinter geschlossenen Augen auch gerade außerordentliche Vorlesungen oder Melodien, wer weiß.

Ich drehe eine Runde. Lasse mich von den sich übereinander schichtenden Sounds aus allen Richtungen verzaubern, wie mir das sonst nur in Salzburg zur Festspielzeit widerfährt. Bleibe schließlich vor dem Future Lab stehen, einem metallisch glänzenden, kunstvoll ineinander verschachtelten, dreigeschoßigen Mehrzweckbau, in dem die Architekten Pichler & Traupmann ein Klangtheater, ein Arthouse-Kino, einen Aufnahmesaal und einen Konzertsaal mit hundert Plätzen untergebracht haben.

Es ist ein spektakulärer Bau, den ich jetzt aus der Nähe betrachten kann, eine Verdichtung von Raum, Kunst und Ästhetik, vielfältig und elegant. Ich suche mir einen Platz und bleibe eine halbe Stunde, genieße die aufgeladene Stimmung und das Licht, das sich in der goldenen Fassade des Future Labs fängt, dann nehme ich den Ausgang in die – ausgerechnet  – Tongasse. Ich weiß, so hieß die früher nach den Töpfern. Heute macht sie der Musik alle Ehre. Gehe geradeaus weiter zur neuen „Konzept Greisslerei“, Ecke Neulinggasse. Dort machen sie einen herrlichen Flat White und servieren Kuchen allererster Güte.

Meine Welt befindet sich in Harmonie, quer durch die Disziplinen.

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